Betriebswirtschaftslehre by Axel Gloger

Betriebswirtschaftslehre by Axel Gloger

Autor:Axel Gloger
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2019-07-15T00:00:00+00:00


Mitarbeiter – total vereinnahmt

Besonders ausgeprägt sehen wir das im Silicon Valley. Hier ist jede Arbeitsminute des Top-Talents besonders wertvoll, sie kann darüber entscheiden, ob die nächsten 50 Millionen an Venture Capital reinkommen oder nicht. Deshalb sind die Unternehmen hier bereit, fast jeden Preis dafür zu bezahlen, wenn sie dafür von ihren Top-Leistungsträgern eine oder zwei Stunden Mehrarbeit am Tag bekommen können.

Wie das geht? Man nehme den Besten alle Hausarbeiten ab. Wäsche waschen? Kann man in der Firma erledigen lassen. Für die nächste Party einkaufen? Bitte keine Mühe machen, das übernimmt der von der Firma bezahlte Dienstleister, der den gesamten Anlass schlüsselfertig hinstellt. Der Kühlschrank ist leer? Selbst einkaufen ist uncool, ein anderer Dienstleister, auch im Firmenauftrag, stellt die kochfertig portionierten Gerichte zu Hause bereit.

Aber diese Welt, in der nachts die Mainzelmännchen kommen und alles schön machen, hat nichts mit fürsorglichen, mitarbeiterfreundlichen Unternehmen zu tun. Sie ist Zeichen für einen neuen Kontrakt im Zeitalter abgeräumter Arbeitsmärkte: Wir, die Firma, entlasten dich um den lästigen Privatkram zu Hause. Dafür gibst du Mitarbeiter uns den überwiegenden Teil der gewonnenen Zeit – als zusätzliche Arbeitszeit.

Dieses sogenannte „Human Leveraging“ ist ein viel besseres Investment, als neue Mitarbeiter einzustellen. Denn lieber auf bekannte Stärken (und Schwächen) setzen, als sich Unbekannte vom Arbeitsmarkt holen, von denen man nicht weiß, was sie können.

Wer in San Francisco wohnt, kann sich als Google-Mitarbeiter vom Google-Bus abholen lassen. Komfortable Sitze und WLAN-Empfang locken, damit die Arbeit gleich nach Verlassen des Hauses beginnen kann. Der Bus ersetzt den rollenden Schreibtisch im selbstfahrenden Auto, solange das noch nicht serienreif ist.

Deshalb die Wäscherei in der Firma, deshalb der Concierge Service, deshalb das betreute Wohnen für Leute, die erst Mitte dreißig sind. Das Essen aus dem Take-Away ist schon zu viel Zeitverbrauch, besser den Leuten das Essen fertig in die Mikrowelle stellen – und wieder sind zehn Minuten Arbeitszeit pro Tag gewonnen. 17

Dazu kommt neuerdings das Egg-Freezing: Silicon Valley-Unternehmen zahlen, damit Frauen nicht gerade dann Mutter werden, wenn sie das erste Hoch ihrer Karriere ansteuern. Die Biologie wird zugunsten der Firma aufgeschoben. Frauen können sich Eizellen entnehmen und auf Kosten der Firma einfrieren lassen – Mutterschaft nicht Mitte Zwanzig, wie in Amerika üblich, sondern zum Wunschzeitpunkt.

Diese Vorgehensweisen zeigen, wie weit die betriebswirtschaftliche Optimierung in das Leben der Menschen eingedrungen ist. Heute, wo alle Maschinen schon so schnell, wie es geht, arbeiten und automatisiert wird, was automatisiert werden kann, ist die menschliche Arbeit die neue Front, an der die Gewinne erzielt werden. Auf Mechanisierung, Dampfmaschine und Elektrifizierung folgt im Zeitalter der Digitalisierung die Optimierung des menschlichen Wirkens in Organisationen.

Das Unternehmen ist dank der BWL zu einem zweckmäßigen, funktionalen und wirtschaftlichen Entwurf geworden. Wie bei einem Bau von Le Corbusier sind Stuck und emotionaler Zierrat weggelassen worden – Konzerne sind, wie die Wohnviertel des architektonischen Taktgebers der Moderne, Horte der rationalen Gestaltung, in denen Menschen in einer Struktur verschwinden.

Le Corbusier nutzte Eisenbeton, Stahl und Fertigteile, wollte das alte Paris zugunsten einer neuen Wohnform mit 60-stöckigen Hochhäusern kreuzförmiger Grundrisse ersetzen. 18 Zum Glück wurde sein „Plan Voisin“ genanntes



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